Nüchtern betrachtet sind Firmenfahrzeuge in erster Linie Instrumente, um Geld zu verdienen. Nüchterne Schlussfolgerung: Je weniger Aufwand diese Instrumente Fuhrparkmanagern bereiten und je komfortabler und intuitiver sie für die Nutzer Fahrer in der Handhabe sind, desto besser fällt am Ende des Tages die Bilanz aus.
Im Interview mit Knut Krösche

Der Weg dorthin führt im 21. Jahrhundert vor allem über Datenanalysen und die Entwicklung intelligenter Software. Um beides kümmert sich im Volkswagen Konzern das eigenständige Unternehmen CARIAD. Wir trafen Knut Krösche, Leiter Digital Business & Mobility Services, zum Interview.
Herr Krösche, Sie verantworten seit knapp einem Jahr den Bereich Digital Business & Mobility Services in der neuen Konzern-Softwareschmiede CARIAD. Was genau schmieden Sie dort?
Im Kern geht es darum, markenübergreifend Synergien im Bereich der Digitalisierung zu heben – und damit das Kundenerlebnis zu verbessern. Konkret heißt das: Wir sammeln – selbstverständlich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben – anonymisiert Daten aus den Fahrzeugen des Konzerns, werten sie aus, gewinnen neue Erkenntnisse und entwickeln auf dieser Basis neue Services oder verbesserte Produkte.
Welche Themengebiete stehen dabei auf Flotten bezogen im Vordergrund?
Zum einen arbeiten wir daran, Flottenmanagern auf Basis umfangreicher Daten eine effektivere Fuhrparkorganisation zu ermöglichen – und zwar ohne, dass die Fahrzeuge dafür erst mit Telematiksystemen nachgerüstet werden müssen. Parallel haben wir natürlich auch die Dienstwagennutzer im Blick, die sich weniger für TCO, bessere Wartung und Co. interessieren, sondern vielmehr auf größtmöglichen Anwendungskomfort fokussiert sind.
Sprechen wir erstmal über die Zielgruppe der Fuhrparkmanager: Mit welchen konkreten Anwendungsszenarien wollen Sie ihnen die Arbeit erleichtern?
Einen ganz zentralen Punkt bildet hier das Thema „Predictive Maintenance“, also vorausschauende Wartung. Denn es ist ja nunmal so: Ein stehendes Fahrzeug „verdient“ für das Unternehmen kein Geld. Also nutzen wir Daten aus den Pkw, um – vereinfacht gesagt – Informationen abzusetzen à la: „Wenn das Fahrzeug auf diese Weise weitergenutzt wird, entsteht zu diesem Zeitpunkt jener Servicebedarf.“ Der Flottenmanager kann dann den Dienstwagen frühzeitig zum Servicepartner bringen und riskiert keinen Liegenbleiber respektive Stillstand. Der Clou an der Sache ist also, dass das System proaktiv tätig wird und nicht erst – wie man es von den klassischen Warnlampen kennt –, wenn das betreffende Ereignis auftritt. An sich sind diese Ideen nicht neu, aber mit den aktuellen und kommenden Fahrzeuggenerationen haben wir die technischen Möglichkeiten, das Ganze sauber, verlässlich und vor allem ab Werk zu implementieren.
Stichwort kommende Fahrzeuggenerationen: Das Interesse für Elektromobilität steigt auch im Fuhrparkbereich extrem an. Welche Benefits lassen sich aus Datenanalysen speziell für elektrifizierte Flotten gewinnen?
Gerade in der Elektromobilität gibt es aufgrund der speziellen Fahrzeugarchitektur und begleitender Themen wie Lademanagement zahlreiche vielversprechende Ansatzpunkte. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Für die Batterie eines E-Fahrzeugs ist ein Ladezustand zwischen 20 und 80 Prozent ideal. Wenn die Daten zeigen, dass ein Firmenfahrzeug immer zu 100 Prozent geladen wird, kann man dem Flottenmanager einen entsprechenden Hinweis geben, flankiert von weiterführenden Informationen, wie sich ein fehlerhaftes Ladeverhalten auf den Zustand des Energiespeichers auswirkt. So hat er die Möglichkeit – und da sind wir wieder beim Thema proaktives Handeln – frühzeitig zu reagieren, seine Fahrer zu informieren und so die maximale Verfügbarkeit der Flotte sicherzustellen. In diesem Zusammenhang muss man natürlich betonen: Datensicherheit und Datenschutz haben bei CARIAD und im gesamten Volkswagen Konzern absolute Priorität. Sprich: Wir werten nur Daten aus, für die wir seitens des Kunden eine Freigabe haben.
Eingangs sprachen Sie auch von Mehrwerten für die Dienstwagennutzer. Was haben Sie mit CARIAD hier in der Pipeline?
Ein Produkt, dass wir ab Ende 2021 schrittweise in den Konzernmarken ausrollen werden, ist In Car Office. Wer mal im Außendienst war, weiß, dass man während einer Reise andauernd aufs Handy schaut. Wann habe ich den nächsten Termin? Zu welcher Adresse muss ich fahren? Wie kann ich per Telefon teilnehmen? Wo finde ich die Einwahl oder den Link, etc. Unser In Car Office integriert den Kalender des Fahrers im HMI des Fahrzeugs, weist im Display auf die entsprechenden Termine hin, ermöglicht eine einfache, schnelle und verkehrssichere Teilnahme und ist mit der Routenplanung des Navigationssystems verbunden. Das ist ein echter Mehrwert.
Ein anderes Beispiel aus dem Bereich Elektromobilität: Wenn Unternehmen ihre Flotten elektrifizieren wollen, ist die Akzeptanz aufseiten der Beschäftigten mit die wichtigste Voraussetzung. Und diese Akzeptanz hängt wiederum maßgeblich davon ab, wie komfortabel sich die E-Fahrzeuge nutzen und insbesondere laden lassen. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt daher unter anderem auf einem verbesserten POI-Management: So haben wir zum Beispiel festgestellt, dass die im Navigationssystem hinterlegten Adressen öffentlicher Ladesäulen nicht immer exakt deren tatsächlichen Standorten entspricht. Zeigt das Navi etwa eine Ladesäule beim nächsten Supermarkt an, kann es passieren, dass sich die Station hinter dem Gebäude befindet und von der Straße aus nicht einsehbar ist. Ein gutes Kundenerlebnis sieht anders aus. Also versetzen wir die Systeme in die Lage, wirklich die exakte Position der Säule anzuzeigen. Einem Außendienstler spart so etwas im Zweifelsfall viel Zeit. Und vielleicht muss es gar nicht einmal die Supermarkt-Säule sein, wenn drei Kilometer weiter ein Ladepunkt neben einem Restaurant wartet. Auch solche Informationen werden wir im Rahmen des optimierten POI-Managements bereitstellen. Im Übrigen: Künftig können Dienstwagennutzer auch vor Fahrtantritt festlegen, mit wieviel Restreichweite sie am Ziel eintreffen möchten. Auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass einen die Software kurz vorm Ziel nicht erst noch zum Laden schickt.
Und der Ladevorgang selbst? Inwiefern wird dieser durch die Arbeit von CARIAD vereinfacht?
Gegenwärtig befassen wir uns intensiv mit einem optimierten Ladesäulen-Management. Schon bald werden Dienstwagennutzer im Navigationssystem erkennen, ob eine Ladesäule belegt ist – und für diese dann bei Bedarf eine Reservierung veranlassen können. Der nächste große Meilenstein ist 2022 die Einführung von Plug&Charge. Diese Technologie ermöglicht es, ohne Ladekarte oder -App Strom zu beziehen, weil Fahrzeug und Ladesäule beim Verbinden miteinander kommunizieren und die erforderlichen Informationen austauschen. Technisch ist das tatsächlich äußerst komplex – aber daraus für den Kunden eine möglichst einfache Anwendung zu machen, haben wir uns schließlich auf die Fahnen geschrieben.
Wer ist CARIAD?
CARIAD ist ein eigenständiges Automotive Software-Unternehmen im Volkswagen Konzern, das Softwarekompetenzen bündelt und weiter ausbaut. Aktuell arbeiten bei CARIAD rund 4.500 Ingenieure und Entwickler an einer einheitlichen Software- und Technologieplattform für alle Marken des Volkswagen Konzerns, die ein einheitliches Betriebssystem, eine einheitliche E/E-Architektur und eine Automotive Cloud umfasst. Darüber hinaus entwickelt das Unternehmen digitale Funktionen für das Fahrzeug, darunter Fahrassistenzsysteme, eine standardisierte Infotainment-Plattform, Softwarefunktionen zur Verknüpfung von Antriebssträngen, Fahrwerks- und Ladetechnologie sowie neue Ökosysteme und digitale Geschäftsmodelle im und um das Fahrzeug.
Stand: 01.09.2021
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