Sie kennen die Vorlieben der User, stellen sich automatisch auf sie ein, lernen mit jeder Fahrt dazu – und supporten zugleich das Flottenmanagement bei der Fuhrparkverwaltung: Moderne Fahrzeuge werden durch Softwareplattformen zu smarten Begleitern.
Im Volkswagen Konzern treibt das Softwareunternehmen CARIAD diese Entwicklung seit einigen Jahren mit Hochdruck voran. Höchste Zeit also für ein Update aus erster Hand! Wir sprachen mit Knut Krösche, Leiter Digital Business & Mobility Service, bei CARIAD.
Herr Krösche, unser letztes Gespräch führten wir 2021, also vor rund zwei Jahren – in der IT-Branche ist das ja bekanntlich eine halbe Ewigkeit.
Das können Sie laut sagen! (lacht) Und dementsprechend viel ist bei uns in der Zwischenzeit passiert. Ich darf unseren Konzern-CEO Oliver Blume zitieren: „Die Automobilindustrie verändert sich in einem noch nie dagewesenen Tempo, wobei vor allem E-Mobilität und Digitalisierung die Zukunft bestimmen.“ Wo soll ich anfangen?
Fangen wir doch da an, wo wir letztes Mal aufgehört haben: Damals sprachen wir unter anderem über Plug & Charge.
Da haben wir sogar schon letztes Jahr geliefert; seitdem hält das System in immer mehr E-Fahrzeuge der Konzernmarken Einzug und ermöglicht es den Usern, sich an der Ladesäule ganz ohne Karte und Co. zu legitimieren und zu bezahlen. Wenn wir schon beim Thema sind: Auch in der Verbesserung des Ladesäulenmanagements haben wir große Fortschritte gemacht: Die Fahrerinnen und Fahrer sehen im Infotainment-Display, welche Ladesäule aktuell frei ist, wie es um deren Auslastung steht, wie andere sie bewertet haben und wo sich preislich am günstigsten Strom tanken lässt. Außerdem zeigt mir das Auto Cafés, Einkaufsmöglichkeiten und andere Points of Interest in der Nähe an. Das klappt, weil wir als CARIAD über alle Konzernmarken hinweg solche POI-Daten beschaffen, zusammenführen und stets aktuell halten.
Auch die Fahrzeuge selbst sind bekanntermaßen wichtige „Datenlieferanten“ für Sie …
Absolut. Zum Beispiel sind wir in der Lage, die Temperaturdaten vom Standort eines E-Fahrzeugs einzusehen und daraus eventuelle Ladehinweise abzuleiten. Konkret kann das so aussehen: Ein Dienstwagenfahrer kommt an einem kalten Winterabend nach Hause und hängt sein Fahrzeug nicht an die Wallbox, weil er den Ladezustand noch für ausreichend hält. Bekanntlich macht Kälte den Energiespeichern der E-Autos zu schaffen. In dem Fall empfiehlt ihm das System also, den Akku vorsorglich zu laden, damit er am nächsten Tag mit ausreichender Kapazität starten kann. Das ist heute schon in der ID. Familie und bei einigen Fahrzeugen von Škoda und Audi problemlos möglich – und mit der neuen Premium-Software-Plattform 1.2 für Audi und Porsche werden ab kommenden Jahr weitere praktische Funktionen folgen. Vielleicht hat der ein oder andere ja den Mobile World Congress in Barcelona verfolgt …
„User müssen ihre Smartphones nicht mehr aufs Infotainmentsystem spiegeln, um etwa ihre Lieblingsplaylist zu hören.“
Knut Krösche
Leiter Digital Business & Mobility Service, CARIAD
Dort präsentierte CARIAD ja mit dem ersten Group Application Store eine Lösung, die auf dieser neuen Plattform basiert. Was kann man sich darunter vorstellen?
Der Group Application Store macht es möglich, Apps direkt in die Benutzeroberfläche des Fahrzeugs zu integrieren – zum Beispiel beliebte Drittanbieteranwendungen wie Spotify, Yelp oder das Videokonferenztool WebEx. Das Ganze funktioniert „seamless“ – sprich: User müssen ihre Smartphones nicht mehr aufs Infotainmentsystem spiegeln, um etwa ihre Lieblingsplaylist zu hören. Sobald der Nutzer eine App aus dem Store installiert hat, erscheint sie vielmehr im App-Raster im Infotainmentsystem und kann durch Antippen gestartet werden. Kunden können den Group Application Store erstmalig schon diesen Sommer als markenspezifische Variante bei Audi (ab Modelljahr 2024) erleben, etwas später geht er bei Porsche und Volkswagen an den Start. Doch wie man das vom Konzern kennt, wird die Lösung dann sukzessive auf geeignete Fahrzeuge aller Konzernmarken ausgerollt.
Welche weiteren Benefits können Kundinnen und Kunden von der neuen Plattform 1.2 erwarten?
Im Grunde erschließt sich hier eine ganze Welt voller Möglichkeiten: Neben dem angesprochenen In-Car-Application Store werden die Sprachassistenten massiv verbessert, genauso wie die Navigation – was vor allem Heavy-User im Dienstwagenbereich freuen dürfte. Die optimale Fahrtroute Berlin-Paris haben sie in wenigen Sekunden komplett vorliegen, inklusive Ladeplanung und allem Drumherum. Auch in puncto Service profitieren Kunden von einem enormen Fortschritt.
Ein weiteres aktuelles Thema, mit dem Sie sich bei CARIAD befassen, ist die Entwicklung personengebundener User-IDs, anhand derer das Fahrzeug erkennt, wer es gerade fährt. Wo sehen Sie hier den konkreten Nutzen?
Im Grunde sind solche User-IDs die logische Konsequenz aus der ständigen Weiterentwicklung der Softwareplattformen für unsere Fahrzeuge. Plattformen wie 1.2 machen es möglich – natürlich im absoluten Einklang mit dem Datenschutz und nur nach Einwilligung der User –, verstärkt Daten zum individuellen Fahrverhalten zum Vorteil unserer Kunden zu nutzen. Durch die Kombination mit einer personengebundenen ID können wir das Auto quasi zum Chamäleon machen, das sich der Person am Steuer und sogar weiteren Passagieren bestmöglich anpasst: Das reicht von banalen Dingen wie Temperierung und Sitzeinstellung über das Displaydesign und die App-Anordnung im Infotainmentsystem bis hin zu persönlichen Vorlieben bei der Routenplanung.
„Wir können Flottenverantwortlichen die Möglichkeit geben, zum Beispiel Car-Policy-bezogene Vorgaben ins Fahrzeug einzuspielen.“
Knut Krösche
Leiter Digital Business & Mobility Service, CARIAD
Das klingt vor allem mit Blick auf Poolflotten interessant …
Exakt. Diese Zielgruppe würde da enorm profitieren, weil jedes Teammitglied dann in „sein“ Auto steigt – selbst wenn es zuvor andere genutzt haben. Hinzu kommt, dass wir den Flottenverantwortlichen die Möglichkeit geben können, zum Beispiel Car-Policy-bezogene Vorgaben ins Fahrzeug einzuspielen. Ich denke da zum Beispiel an Führerscheinneulinge. Wünscht das Unternehmen, dass sie zur Schadensprävention auf der Autobahn nicht über 120 km/h fahren sollen, ließe sich das über die ONE.Business ID problemlos regeln.
Wann dürfen unsere Leserinnen und Leser mit der Einführung solcher User-IDs rechnen?
Wir werden die ersten Funktionen in Premium-Fahrzeugen ab dem kommenden Jahr im Realbetrieb erleben können. Natürlich sind solche IT-Themen auch aus rechtlicher Sicht hochkomplex, zumal die Gesetzgebung nicht in jedem Land identisch ist. Ich würde sagen: Schauen wir mal, wie weit wir beim nächsten Interview sind.
Stand: 18.07.2023
© Volkswagen AG