16. Dezember 2025

goTOzero RETAIL (GTRZ) ist die große Nachhaltigkeitsinitiative des Volkswagen Konzerns für Handels- und Servicepartner. Erste Betriebe haben bereits die Zertifikatsstufe Gold erreicht – darunter die AZF-Gruppe aus Flensburg (Deutschland). Im Interview erklären Alexander Sczech, Leitung Großkunden und zertifizierter Fuhrparkmanagementberater (rechts), sowie Leif Nielsen, Leitung Marketing und Kommunikation (links), ihre Erfolgsstrategie – und sagen, welche Maßnahmen wirklich wirken.

Herr Sczech, Herr Nielsen, was bewog Sie, am Zertifizierungsprogramm goTOzero RETAIL teilzunehmen?

Alexander Sczech: Die Volkswagen Group stellte uns das Programm 2024 vor. Da waren wir längst tief in der Nachhaltigkeit. Wir hatten uns sogar mit der Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz befasst (https://germany.econgood.org/) – für viele die Champions League der Nachhaltigkeitszertifizierungen. Sie prüft ein Unternehmen nach Werten wie Menschenwürde, sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und Transparenz. Kurz gesagt: Wir sind mit besten Voraussetzungen in „goTOzero RETAIL“ gestartet – und rechneten uns realistische Chancen auf eine Auszeichnung aus.

Das klingt, als sei der Gold-Status quasi ein Selbstläufer gewesen. Kann man das so sagen?

Leif Nielsen: Ganz und gar nicht! Zum Beispiel mussten zwei Kolleginnen rund 14 Tage lang im „Zahlenkeller“ Daten sammeln, Maßnahmen dokumentieren und Prozesse beschreiben. Aber wir wollten eben auch unbedingt gut abschneiden – was die Motivation extrem ankurbelte. Selbst wenn wir nicht jedes Detail kannten, auf das es bei dieser Erstzertifizierung ankam, meisterten wir die Gold-Hürde mit Bravour. Am Ende war diese Auszeichnung keineswegs ein Zufall, sondern das Resultat harter Arbeit und unermüdlichen Einsatzes.

Kommt es hier vor allem auf die Manpower an – oder spielen noch andere Bausteine eine Rolle?

Alexander Sczech: Grundsätzlich muss man das Thema auf mehreren Ebenen bespielen; dazu gehören unter anderem bauliche Veränderungen. Wer noch in einem 70er-Jahre-Gebäude sitzt und weder über eine PV-Anlage noch über Verbesserungen in Sachen Energieeffizienz nachgedacht hat, wird es eher schwer haben. Wir sind seit über einem Jahrzehnt Mitglied im Flensburger Klimapakt und haben auf diesem Feld schon viele Maßnahmen umgesetzt. Dabei sind unsere Sanierungen organisch gewachsen. Dämmung, moderne Heizungstechnologie, Photovoltaik – all das war kein grünes Nice-to-have, sondern eine nüchterne Investitionsentscheidung. Warum Geld für Wärme und Strom verheizen und dabei die Umwelt belasten, wenn man es besser machen kann? Heute erreichen wir beim Strom knapp 70 Prozent Autarkie und betreiben an unserem Standort rund 50 Ladepunkte. Das bestätigte uns das Audit schwarz auf weiß.

Können Sie noch weitere Aspekte nennen, die in puncto Nachhaltigkeit für Sie den Unterschied gemacht haben?

Leif Nielsen: Ein gutes Beispiel ist die Reifenwäsche. Früher lief das alles mit Frischwasser. Heute sammeln wir Regenwasser, filtern es und nutzen es für diese Serviceleistung. Das spart zigtausend Liter Trinkwasser im Jahr – und macht einen einfachen Arbeitsgang zum ökologischen Hebel. Darüber hinaus haben wir – in Zusammenarbeit mit der IHK – Azubis zu Energiescouts gemacht. Sie suchen sich Projekte und identifizieren damit verbundene Einsparpotenziale, etwa bei Strom, Wärme oder eben Arbeitsprozessen à la Reifenwäsche und Co. So lernen sie, Nachhaltigkeit ganz praktisch im Alltag zu leben, statt nur darüber zu reden. Abgerundet wird unser ganzheitlicher Ansatz von konkreten Aktionen: So fördern wir die großflächige Aussaat von Blühpflanzen zur Steigerung der Biodiversität, pflanzen jährlich 500 Bäume und haben uns ein besonderes Auslieferungsgeschenk einfallen lassen – Kunden erhalten zur Auslieferung ein Glas Honig inklusive eines kleinen Booklets und einer Samenmischung. Wir sagen damit: Ja, wir sind Autohändler, wir verkaufen auch Performance-Modelle. Wir setzen aber ebenso alles daran, unseren ökologischen Fußabdruck sichtbar zu kompensieren und nachhaltige Projekte zu fördern.

Hat das Audit im Rahmen von goToZero RETAIL trotz der schon guten Voraussetzungen noch einmal etwas im Alltag bewegt?

Alexander Sczech: Absolut. Der Blick verändert sich. Ein Tor, das ein paar Minuten offen steht, fällt plötzlich auf: Man sieht förmlich die Wärme, die hinausströmt – und das Geld, das dabei verloren geht. Solche Momente schärfen das Bewusstsein. Die Zertifizierung wirkt damit gewissermaßen wie eine Brille, die versteckte Chancen sichtbar macht. Sie sensibilisiert die Belegschaft und zeigt, wo noch Potenziale schlummern. Ich denke da zum Beispiel an unsere älteren Gebäude, für die wir im Zuge des Audits jetzt eine Energieberatung gestartet haben. Mit anderen Worten: Dieses unabhängige Feedback von außen ist wirklich Gold wert.

Wie reagieren Ihre Kunden, vor allem Großkunden, auf den Gold-Status?

Alexander Sczech: Das Interesse ist sehr groß – was mich ehrlich gesagt gar nicht so sehr überrascht. Schließlich hat Nachhaltigkeit in Ausschreibungen nahezu denselben Stellenwert wie Preis, Verfügbarkeit oder Service. Viele Flottenbetreiber wollen heute ganz konkret wissen, wie wir Emissionen senken, Ressourcen schonen und Lieferketten überprüfen. Die Gespräche drehen sich also längst nicht mehr nur um Rabatte, sondern immer auch um Dekarbonisierung, die Herkunft von Komponenten und klare ESG-Kriterien. Wir können das alles sauber belegen. Unsere Maßnahmen sind dokumentiert, die Prozesse nachvollziehbar und das Zertifikat liegt auf dem Tisch. Dadurch schaffen wir Vertrauen und verkürzen Prozesse, weil eben keine vagen Aussagen getroffen werden. Für uns ist das ein echter Wettbewerbsvorteil. Wer nur schöne Worte präsentiert, aber keine Daten hat, bleibt draußen. Wir stehen mit beiden Beinen im Thema – und das merken die Kunden.

Sind es in wirtschaftlich angespannten Zeiten wie diesen am Ende die nackten Zahlen, die für Großkunden den Ausschlag geben?

Alexander Sczech: Definitiv. Aber diese „nackten Zahlen“ sprechen ja eben längst für Nachhaltigkeit. Obwohl die EU gerade einzelne Vorgaben verschiebt oder Berichtspflichten verschlankt, knüpfen Banken ihr Rating immer stärker an ESG-Kriterien. Sprich: Wer Investitionen finanzieren will, kommt um Nachhaltigkeit nicht herum. Indem wir Maßnahmen sichtbar umsetzen, schaffen wir Vertrauen – und räumen Hürden bei Finanzierung, Ausschreibung und Prüfung aus dem Weg.

Die ökologische Seite haben Sie bereits zertifizieren lassen. Doch goTOzero RETAIL deckt inzwischen auch die Bereiche Soziales und Unternehmensführung ab …

Leif Nielsen: Natürlich gehören diese Aspekte genauso zum Thema Nachhaltigkeit. Und natürlich sind wir hier ebenfalls an Bord: Wir bilden aus, entwickeln Mitarbeitende gezielt weiter, achten auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und fördern eine Kultur, in der man miteinander spricht statt übereinander. Das fühlt sich schon gut an – aber ein Gefühl ersetzt bekanntlich keine Prüfung. Ein Audit ist immer ein Härtetest. Wenn die Latte höher liegt als gedacht, muss man nachschärfen. Das sehen wir aber nicht als Makel, sondern als Teil des Weges.

© Volkswagen AG

Stand: 16.12.2025